Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – Wo liegen die Grenzen der berechtigten Kritik am Arbeitgeber?

Vor dem Hintergrund eines Rechtsstreits wg. Nichtigkeit einer fristlosen Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses hat der Oberste Gerichtshof der Tschechischen Republik herausgearbeitet, anhand welcher Kriterien sich beurteilen lässt, inwieweit eine Kritik am Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer statthaft ist. Wo diese Kriterien nicht erfüllt sind, lässt sich auf eine Verletzung der Pflicht befinden, wonach Arbeitnehmer nicht im Widerspruch zu den legitimen Interessen des Arbeitgebers handeln dürfen.

Nicht im Widerspruch zu den berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu handeln, gehört zu den grundlegenden Pflichten eines jeden Arbeitnehmers im Rahmen des von ihm eingegangenen Beschäftigungsverhältnisses. Mit anderen Worten, Arbeitnehmer haben ihrem Arbeitgeber gegenüber ein gewisses Maß an Loyalität zu wahren. Dem Recht jedes einzelnen sind aber dort Grenzen gezogen, wo das Recht des anderen beginnt. Damit stellt sich die Frage: wo liegt die Grenze zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers und den weitergehenden Rechten des Arbeitnehmers? Welche Folgen hat die Verletzung des Loyalitätsgebots für den Arbeitnehmer?

Die Antwort hat unlängst der Oberste Gerichtshof geliefert. Im betreffenden Verfahren (AZ 21 Cdo 1043/2016) hatte sich das Gericht mit einem Fall auseinanderzusetzen, in dem der Arbeitgeber (der Eigentümer eines privaten Fernsehsenders) seinem Arbeitnehmer ein Kündigungsschreiben zustellte, in dem das Beschäftigungsverhältnis fristlos gelöst wurde, und zwar unter Bezugnahme auf § 55 Abs. 1 Buchst. b) des tschechischen Arbeitsgesetzbuchs. Auslöser für diesen Schritt des Arbeitgebers war ein in einem Online-Magazin erschienener Artikel des Arbeitnehmers gewesen, in dem sich der Arbeitnehmer wenig schmeichelhaft über das (angebliche) Verhalten und die Praktiken beim Sender des Arbeitgebers ausließ, wozu auch ein Vergleich der herrschenden innerbetrieblichen Verhältnisse zum „totalitären Regime“ früherer Zeiten gehörte.

Der Arbeitnehmer strengte im Wege einer Klage die Feststellung der Nichtigkeit der fristlosen Kündigung an, wobei er seine Verteidigung primär darauf aufbaute, es sei in der Nachrichtenredaktion des Senders zu unverhältnismäßigen inhaltlichen Übergriffen in die vorbereiteten Reportagen gekommen; mit seinem Artikel habe er (der Arbeitnehmer) lediglich sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen und im öffentlichen Interesse gehandelt. Im weiteren Instanzenweg hatten die Parteien wechselhaften Erfolg, so dass der Streit letztlich vor dem Obersten Gerichtshof landete.

Der OGH gelangte zu dem Schluss, eine Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten könne nur dann zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber Anlass geben, wenn auf Seiten des Arbeitnehmers eine (zumindest fahrlässig) schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, die darüber hinaus einen gewissen Grad der Intensität erlangen muss. Um als angemessen gelten zu können, müsse eine Kritik „rechtlich zulässig bzw. berechtigt sein“. Dies gelte für eine Kritik, die sachlich, konkret und zugleich nach Inhalt, Form und Ort angemessen ist. M.a.W., unter Berücksichtigung der gesetzten Ziele darf eine Kritik nicht überzogen oder übertrieben sein und muss auf wahren (belegten) Tatsachenbehauptungen beruhen. Die konkreten Umstände des einzelnen Falls sind jeweils zu berücksichtigen.

Der Oberste Gerichtshof befand, dem Recht auf freie Meinungsäußerung gebühre überall dort kein Vorzug vor dem Recht auf den Schutz des guten Rufs einer (natürlichen oder juristischen) Person, wo besagte Kritik aus dem zulässigen Rahmen fällt.

Die fristlose Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses wurde für begründet erkannt und die Klage abgewiesen.

 

Quelle: Urteil des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik AZ 21 Cdo 1043/2016 vom 20.03.2017; Arbeitsgesetzbuch (Ges. Nr. 262/2006 Slg., idgF)

 

Newsletter abonnieren

Wenn Sie den Newsletter abonnieren, stimmen Sie zugleich unseren Datenschutzbedingungen zu.