Steht uns schon wieder eine Änderung der Insolvenzordnung ins Haus?

Auf europäischer Ebene wird bereits seit geraumer Zeit ein Vorschlag für eine Richtlinie diskutiert, deren Verabschiedung zu einer weiteren, relativ tiefgreifenden Neufassung der Insolvenzordnung führen dürfte.

Der vorliegende Vorschlag für eine EU-Richtlinie gibt einen Rahmen für präventive Restrukturierung und für die Entschuldung von Unternehmern vor, sowie Maßnahmen, mit denen allgemein die Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren gesteigert werden soll.

Aus Sicht des tschechischen Rechts ist die präventive Restrukturierung ein völlig neues Konzept. Der Vorschlag stellt ein Rahmenmodell vor, innerhalb dessen Mitgliedsstaaten Maßnahmen für die präventive Restrukturierung verabschieden können, mit dem Ziel, Schuldnern zu helfen, die sehr wahrscheinlich vor der Zahlungsunfähigkeit stehen, und damit zu vermeiden, dass an sich tragfähige Unternehmen unnötig in die Insolvenz getrieben werden. Mit anderen Worten, Schuldnern wird die Möglichkeit an die Hand gegeben, ihre finanziellen Probleme zu lösen, bevor sie zahlungsunfähig oder überschuldet sind (was eine Vorbedingung für den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wäre).

Im Interesse wirksamer Verhandlungen mit Gläubigern über einen etwa zur Diskussion stehenden Restrukturierungsplan soll es Schuldnern nach dem Willen der Autoren des Vorschlags erlaubt sein, die Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten zu beantragen.

Im Hinblick auf die aktuelle Neufassung der tschechischen Insolvenzordnung und den offensichtlichen Unwillen der tschechischen Gesetzgebung, von der Entschuldungsfrist von fünf Jahren für natürliche Personen abzuweichen, hat derjenige Abschnitt des Richtlinienentwurfs, der sich mit der sog. zweiten Chance auseinandersetzt, besonders tiefgreifende Bedeutung.

Unter der zweiten Chance ist laut Begründung des Vorschlags eine Maßnahme zu verstehen, die sicherstellen soll, dass „redliche überschuldete Unternehmer im Anschluss an eine volle Entschuldung nach einer angemessenen Frist eine zweite Chance haben…“. Diese angemessene Frist, auf die die volle Entschuldung folgt, wird im Vorschlag mit drei Jahren gedeckelt. Die Entschuldung kann auch weiterhin an die Bedingung geknüpft werden, dass wenigstens ein Teil der Außenstände beglichen wird, wobei künftig aber die besonderen individuellen Umstände des Unternehmers in Betracht gezogen werden sollen.

Gerade im Hinblick auf diese Entschuldungsperiode ist der Richtlinienentwurf mit dem Institut der Entschuldung in seiner gegenwärtigen Form unvereinbar. Die vorgeschlagene Maßnahme ist zwar ausdrücklich nur für Unternehmer gedacht; die Richtlinie lädt aber dazu ein, die Anwendung der Entscheidungsgrundsätze für die zweite Chance auch auf natürliche Personen auszudehnen, die keine Unternehmer sind (also z.B. Verbraucher).

Falls es zur Umsetzung der Richtlinie in der vorgeschlagenen Form kommen sollte, wird es spannend sein zu beobachten, ob tatsächlich ein zweigleisiges Entschuldungsmodell ins Leben gerufen wird und falls ja, wie der Gesetzgeber rechtfertigen will, dass die Konditionen für eine Privatentschuldung weniger freundlich sind als die für Unternehmer.

 

Quelle:
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU

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