Neue EU-Restrukturierungsrichtlinie verabschiedet: Welche Änderungen werden erwartet?

Die neue EU-Restrukturierungsrichtlinie tritt am 16. Juli 2019 in Kraft und soll die Effizienz der Restrukturierungsverfahren steigern.

Am 6. Juni 2019 hat der Rat der Europäischen Union (EU) der neuen Richtlinie 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 zugestimmt. Das Gesetzgebungsverfahren wurde am 26. Juni 2019 nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU offiziell abgeschlossen.

Die neue Richtlinie zielt darauf ab:

  • gemeinsame Grundsätze für präventive Restrukturierungsmechanismen in jedem EU-Mitgliedstaat, einschließlich Litauen, einzuführen;
  • bestandsfähigen Unternehmen und Unternehmern in finanziellen Schwierigkeiten den Zugang zu wirksamen präventiven Restrukturierungsrahmen zu ermöglichen, die ihnen helfen, ihre Geschäftstätigkeit fortzusetzen;
  • dass redliche insolvente oder überschuldete Unternehmer eine zweite Chance erhalten und dass sie nach einer angemessenen Frist in den Genuss einer vollen Entschuldung kommen;
  • die Effizienz von Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren zu steigern, insbesondere durch deren Verkürzung, und somit die Chance der Gläubiger auf stärkere Befriedigung ihrer Forderungen zu erhöhen.

Die neue Richtlinie legt Mindestnormen fest, die die Mitgliedstaaten in nationales Insolvenzrecht umsetzen müssen. Die neue Richtlinie sieht die folgenden Grundprinzipien vor:

  • Schuldner, die präventive Restrukturierungsverfahren in Anspruch nehmen, behalten ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über ihre Vermögenswerte und den täglichen Betrieb ihres Unternehmens;
  • um die Verhandlungen über die Genehmigung eines Restrukturierungsplans zu unterstützen, kann den Schuldnern eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen für vier Monate gewährt werden, wobei dieser Aufschub auf bis zu zwölf Monate verlängert werden kann. Auf diese Weise kann der Schuldner während der Verhandlungen seinen Betrieb fortsetzen oder zumindest den Wert seines Vermögens erhalten;
  • ein Restrukturierungsplan, der nicht von der erforderlichen Mehrheit in jeder Abstimmungsklasse unterstützt wird, kann unter bestimmten Bedingungen für ablehnende Abstimmungsklassen verbindlich werden (klassenübergreifender Cram-down);
  • die dem Schuldner vor der Genehmigung des Restrukturierungsplans oder während der Ausführung des Plans gewährte finanzielle Unterstützung muss angemessenen Schutzvorkehrungen unterliegen;
  • präventive Restrukturierungsverfahren sollen nicht die individuellen und kollektiven Rechte der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsrecht der Union und dem nationalen Arbeitsrecht beeinträchtigen.

In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig zu erwähnen, dass das litauische Parlament das Gesetz über die Insolvenz juristischer Personen verabschiedet, der Präsident es unterzeichnet hat und dass es im nächsten Jahr in Kraft treten soll. Dieses Gesetz konsolidiert Unternehmensrestrukturierungs- und Insolvenzverfahren und es soll die Effizienz von Insolvenzverfahren erhöhen sowie bestandsfähigen Unternehmen die Fortsetzung des Betriebs ermöglichen. Es beinhaltet mehrere Restrukturierungsmechanismen, die den Anforderungen der neuen Richtlinie entsprechen und die der Restrukturierung bestandsfähiger Unternehmen Vorrang vor deren Liquidation einräumen.

Die neue Richtlinie tritt am 16. Juli 2019 in Kraft. Ihre wesentlichen Bestimmungen müssen von den Mitgliedstaaten spätestens bis zum 17. Juli 2021 umgesetzt werden. In begründeten Fällen können die Mitgliedstaaten jedoch die Kommission ersuchen, die Umsetzungsfrist um ein Jahr zu verlängern.

Obwohl die neue Richtlinie darauf abzielt, die unterschiedlichen Regelungen für Restrukturierungsverfahren in der gesamten EU zu harmonisieren, wird den Mitgliedstaaten ein hohes Maß an Flexibilität bei der Umsetzung in nationales Recht eingeräumt. Das bedeutet, dass die Wahl des günstigsten Gerichtsstands (forum shopping) in Zukunft nicht vollständig verhindert wird.

Zudem wird jeder Mitgliedstaat die neue Richtlinie zwangsläufig ein wenig anders auslegen und umsetzen. Dennoch sollten die Bemühungen der Kommission um die Festlegung gemeinsamer EU-Grundsätze für präventive Restrukturierungsmechanismen als nützlicher Ausgangspunkt für die Schaffung einer bestandsfähigen Unternehmensrettungskultur in Europa angesehen werden. Ziel dieser Kultur ist es, den Schuldnern eine frühzeitige und effektive Restrukturierung zu ermöglichen, um Insolvenzen zu vermeiden und die Chance der Gläubiger auf Befriedigung ihrer Forderungen zu erhöhen.

 

Mit Standorten in 10 Ländern und über 100 Anwälten ist bnt attorneys in CEE eine der führenden internationalen Anwaltskanzleien für Wirtschaftsrecht in Mittel- und Osteuropa und den Baltischen Staaten. Experten der Kanzlei-Praxisgruppe Insolvenzen und Unternehmenssanierungen beraten Gläubiger, Schuldner, Insolvenzverwalter und andere Interessengruppen in allen Fragen zur Insolvenz und Sanierung. Die internationale Praxisgruppe Insolvenz und Sanierung der Kanzlei wird von Frank Heemann geleitet, der zudem Managing Partner des litauischen Kanzleistandorts ist.

Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Homepage www.bnt.eu und kontaktieren Sie Frank Heemann unter oder +370 5 212 1627.

 

Newsletter abonnieren

Wenn Sie den Newsletter abonnieren, stimmen Sie zugleich unseren Datenschutzbedingungen zu.