„Schaden ohne Verschulden“: Litauen stärkt Patientenrechte Teil 1

Neues litauisches Schadensersatzmodell lässt Verschulden des Mediziners außer Acht.

1. Schadensersatzverlangen in der Vergangenheit oft nicht zufriedenstellend

In der Vergangenheit hatten viele Schadensersatzanträge von Patienten aufgrund der Beweispflicht, dass der Schaden durch das Verschulden eines konkreten Mediziners verursacht wurde, kaum eine Chance auf Erfolg.
Patienten mussten medizinische Dokumente und Nachweise vorlegen, die für sie äußerst schwierig zu erlangen waren.
Medizinische Einrichtungen und Mediziner befanden sich in dieser Beziehung stets in einem Interessenkonflikt.
Dies hatte häufig lange, kostenintensive und nicht zufriedenstellende Verfahren vor Gericht zur Folge.
Enge Verwandte besaßen nur eine begrenzte Möglichkeit Schmerzensgeld für Gesundheitsschäden am Patienten zu verlangen.

2. Verbesserte Situation ab 1. Januar 2020

Vieles hat sich durch die am 1. Januar 2020 in Kraft getretene Gesetzesnovelle hinsichtlich Patientenrechte und Ersatz von Schäden betreffend die Gesundheit geändert.
Durch die vereinfachte Handhabung des Verfahrens bestehen für den Patienten geringere Hürden. Der Nachweis des Verschuldens eines konkreten Mediziners ist nicht mehr erforderlich. Vielmehr kann Schadensersatz immer dann geltend gemacht werden, wenn der Patient oder die Hinterbliebenen der Ansicht sind, dass durch eine Behandlung ein Schaden an der Gesundheit des Patienten entstanden ist.
Eine Kommission bestehend aus 7 Personen (Vertreter von entsprechenden Institutionen, Mediziner, Vertreter von Organisationen für den Schutz von Patientenrechten) beim litauischen Gesundheitsministerium wird in Zukunft als außergerichtliche Vorinstanz über die eingereichten Anträge entscheiden.

3. Wer kann sich an die Kommission wenden?

Neben dem Patienten besitzen auch Verwandte von Verstorbenen das Recht, einen Antrag auf Schadensersatz zu stellen:
• Ehegatten, minderjährige Kinder, arbeitsunfähige Eltern sowie Personen, für deren Unterhalt der Verstorbene verantwortlich war, können sowohl materiellen Schaden als auch Schmerzensgeld verlangen;
• Arbeitsfähige Eltern und erwachsene Kinder können hingegen lediglich Schmerzensgeld beanspruchen.

4. Innerhalb welches Zeitraumes kann Schadensersatz beantragt werden?

Schadensersatz kann beantragt werden innerhalb von 3 Jahren ab dem Tag, an welchem der Patient oder ein Hinterbliebener Kenntnis davon erlangt hat oder erlangen konnte, dass ein Schaden entstanden ist.

5. Welches Verfahren muss für den Antrag eingehalten werden?

Die Antragstellung erfolgt in einfacher Art und Weise am Gesundheitsministerium oder aber per Post
Im Antrag müssen enthalten sein:
• Nennung des Schadens;
• Schadensersatz- / Schmerzensgeldhöhe mit Nachweisen über die Höhe;
• Umstände, die den Schaden und Ersatz begründen;
• bei Hinterbliebenen – Beleg der Verwandtschaft und der Unterhaltsbedürftigkeit bzw. des Unterhaltsverhältnisses.
Medizinische Belege hingegen sind nicht mehr erforderlich.

6. Was macht die Kommission?

Bei der Bewertung des Antrages besitzt die Kommission die folgenden Aufgaben:
• Zusammenstellung und Anforderung erforderlicher Dokumente
• Einholung erforderlicher Erklärungen von entsprechenden Medizinern
• Bei Bedarf Anforderung von Gutachten.
In einfach gelagerten Fällen entscheidet die Kommission bereits in ihrer ersten Sitzung. In schwierigeren Fällen fordert sie eventuell ein Gutachten an. Eine Entscheidung muss jedoch innerhalb von 2 Monaten ab Einreichung des Antrages (in Ausnahmefällen mit der Möglichkeit zur Verlängerung um einen dritten Monat) ergehen.

7. Welcher Schaden wird ersetzt?

Ersatzfähig ist Schaden, welcher durch eine Behandlung hervorgerufen wurde und abwendbar war.
Nicht ersatzfähig ist ein Schaden, der aus Folgendem resultiert:
• Komplikationen oder als Resultat von Vorerkrankungen, wenn der Schaden nicht abwendbar war;
• Krankheiten, welche aus den individuellen Eigenschaften des Patienten resultieren;
• Krankheiten, welche aus dem Konsum von Arzneimitteln unter Einhaltung der Einnahmebedingungen resultieren;
• der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Nichteinhaltung von allen verständlichen Sicherheitsmaßnahmen oder für den Patienten geltenden Pflichten.
Als materieller Schaden werden die dem Patienten entstandenen Kosten ersetzt.
Daneben kann Schmerzensgeld beantragt werden. Mehr zu der möglichen Höhe erfahren Sie in unserem Teil 2 zu diesem Artikel.

8. Woher kommen die Zahlungen?

Die Zahlungen stammen aus den Mitteln der staatlichen Krankenkasse.
Eine Auszahlung erfolgt innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag der positiven Entscheidung.

9. Was tun bei negativer Entscheidung über den Antrag?

Sollte der Antrag auf Schadensersatz durch die Kommission nicht zugelassen werden, kann Beschwerde beim Bezirksverwaltungsgericht Vilnius eingelegt werden.
Wird der Antrag zugelassen, jedoch kein Schadensersatz gewährt, besteht die Möglichkeit, sich an das zuständige Zivilgericht zu wenden und im Rahmen des Zivilverfahrens Schadensersatz zu verlangen.

10. Was passiert mit Schäden, die vor dem 1. Januar 2020 eingetreten sind?

Alle Schäden, die vor dem 1. Januar 2020 eingetreten sind, werden von der neu eingerichteten Kommission nach dem alten Verfahren beschieden.

Unser bnt attorneys in CEE Büro in Vilnius / Litauen freut sich, Ihnen alle weiteren Fragen zu beantworten.

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