Oberstes Gericht der Tschechischen Republik: Rücktritt des Mitglieds eines Gesellschaftsgremiums zur Unzeit

Gegen Ende des Jahres 2019 äußerte sich der Tschechische Oberste Gerichtshof zu einer Frage, die jetzt im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie aktuelle Bedeutung erlangt hat. Was sind die Folgen des seitens eines Gremiumsmitglieds ausgesprochenen Rücktritts zu einem für die Gesellschaft ungünstigen Zeitpunkt?

Zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Artikels hat die Covid-19-Pandemie ihren Höhepunkt erreicht und den Geschäftsbetrieb von Unternehmen nicht nur in Tschechien, sondern rund um den Erdball praktisch zum Erliegen gebracht, was für viele von ihnen höchst nachteilige Folgen haben wird. Von daher möchten wir unseren Lesern einen Beschluss des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik vom 20.11.2019 näherbringen, der sich zu den Folgen des Rücktritts von Mitgliedern eines Gesellschaftsgremiums zu einem ungünstigen Zeitpunkt äußert.

Am 17.9.2017 hatte es das Registergericht abgelehnt, dem Antrag eines Geschäftsführers auf Löschung aus dem Handelsregister zu entsprechen, unter Verweis auf § 59 Abs. 5 des tschechischen Kapitalgesellschaftsgesetzes (Ges. Nr. 90/2012 Slg.), wonach „das Mitglied eines Gesellschaftsgremiums von seinem Amt zurücktreten kann. Es darf dies aber nicht zu einem Zeitpunkt tun, der für die Gesellschaft ungünstig ist„. Die fragliche Gesellschaft befand sich in einer schwierigen Situation: kraft Entscheidung ihres Alleingesellschafters war sie zur Abwicklung aufgelöst worden, wobei die Rolle des Liquidators zeitweise vom Geschäftsführer eingenommen wurde, welcher dann den bereits genannten Antrag auf Löschung seiner Person aus dem Handelsregister stellte. Das Registergericht erachtete den Rücktritt des Geschäftsführers folgerichtig für nichtig, fiel er doch in einen für die Gesellschaft höchst ungünstigen Zeitraum. Der Geschäftsführer war mit der Entscheidung des Registergerichts nicht einverstanden und legte Berufung ein. Die Berufungsinstanz bestätigte die Rechtsmeinung des Registergerichts, so dass der verhandelte Fall vor dem Obersten Gerichtshof landete.

Der Oberste Gerichtshof befand, dass § 59 Abs. 5 des Kapitalgesellschaftsgesetzes sich nicht zu den Folgen eines Verstoßes gegen das genannte Verbot äußert und insofern einen Ermessensspielraum dahingehend lässt, ob das Rechtsinstitut der Nichtigkeit des Rücktritts vom Amt oder das Rechtsinstitut einer Haftung für den durch den Rücktritt zur Unzeit verursachten Schaden greifen soll. Er verwies darüber hinaus auf §§ 574 u. 584 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Ges. Nr. 89/2019 Slg. – „BGB-cz„), wonach sittenwidrige Rechtsgeschäfte nichtig sind, das zu beurteilende Rechtsgeschäft aber eher als gültig denn als ungültig betrachtet werden soll.

Der Geschäftsführer ist verpflichtet, sein Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuüben (§ 159 BGB-cz), wobei der Sinn und Zweck der zit. Bestimmung des § 59 Abs. 5 des Kapitalgesellschaftsgesetzes darin besteht, die Sorgfaltspflicht auch auf den Rücktritt vom Amt auszudehnen. Ein Verstoß gegen das Verbot des Rücktritts vom Gesellschaftsamt zu einem für die Gesellschaft ungünstigen Zeitpunkt gilt damit als Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht und kann eine Schadensersatzpflicht auslösen; der Rücktritt als solcher ist aber gültig.

Abschließend sei noch ergänzend erwähnt, dass zum 1.1.2021 ein Änderungsgesetz zum Kapitalgesellschaftsgesetz in Kraft treten wird, welches die zitierte Teilbestimmung des § 59 Abs. 5 aufhebt und den Rücktritt vom Gesellschaftsamt in einem eigenständigen § 58 regelt. Dieser neue § 58 des Kapitalgesellschaftsgesetzes enthält die kontroverse Formulierung bereits nicht mehr und bestätigt insofern die Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofs, so dass der Rücktritt von Mitgliedern einer Organschaft zur Unzeit auch künftig vermittels des allgemeinen Rechtsinstituts der Sorgfaltspflicht zu lösen sein wird.

Quelle:
Beschluss des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik AZ 27 Cdo 3367/2018 vom 20.11.2019

 

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