Tschechische Republik: Außergewöhnliche Ereignisse – Was bedeuten sie für die Vertragserfüllung?

Kriege, Naturkatastrophen, Krankheiten, Wirtschaftskrisen… ein in vergangenen Jahrhunderten übliches Risiko, das häufig mit menschlichem Leben sowie unternehmerischer Tätigkeit einherging. Das Recht reflektiert und reagiert auf das, was in der Gesellschaft geschieht.

Deswegen wurden (bereits im römischen Recht) Rechtsregeln entwickelt, die das Auftreten solcher außergewöhnlichen Ereignisse sowie ihre Folgen adressieren und sich damit befassen, wer sie wirtschaftlich tragen wird (wer das bezahlt). Dank der ruhigeren und sichereren Welt nach dem zweiten Weltkrieg und vor allem der Jahre der Prosperität nach dem Zusammenbruch des Sowjetblocks ist die Bedeutung dieser Regeln deutlich in den Hintergrund geraten. Es handelte sich um „etwas“, was bei uns zwar gesetzlich geregelt war, aber worauf in Verträgen (mit Ausnahme eines allgemeinen Hinweises auf die die Haftung für Schäden ausschließenden Umstände) nicht näher eingegangen wurde. Und Streitigkeiten, die solche außergewöhnlichen Ereignisse betrafen, gab es in der Praxis auch nicht viele (meiner Erfahrung nach; die Kollegen werden möglicherweise anderer Ansicht sein).

Häufigeres Auftreten verschiedener Naturkatastrophen in der Welt (Vulkanausbruch, Erdbeben, Tsunami) wie auch in Tschechien (Überschwemmungen, Dürre, Windstürme), Unruhen und Terrorismus sowie neue Krankheiten mit dem Potenzial einer pandemischen Ausbreitung, wie bei der gegenwärtigen Coronavirus-Bedrohung, zusammen mit der Globalisierung der Wirtschaft (im Inland passiert nichts, doch importieren wir Komponenten, die wir nach Deutschland verkaufen, aus Asien) erhöhen das Risiko deutlich. Eine detaillierte Vertragsregelung möglicher Szenarien für die Nichterfüllung von Verpflichtungen aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, die realistisch eintreten können, wird somit zukünftig von wesentlicher Bedeutung sein.

Was muss oder sollte in einem solchen Fall behandelt werden und welche Möglichkeiten bietet das Recht? Zuerst ist es natürlich hilfreich zu wissen, was alles vom tschechischen Recht adressiert wird und was der tschechische Richter über eine bestimmte Frage denkt (d.h. Kenntnis der Judikatur). Zuallererst interessiert uns jedoch, ob der Vertrag überhaupt dem tschechischem Recht unterliegen wird und wo Ansprüche aus Vertragsverletzung geltend gemacht werden (falls nicht in der Tschechischen Republik, wird dann das ausländische Gericht das von uns in dem Vertrag gewählte tschechische Recht anwenden oder einige Regeln des eigenen Rechts heranziehen?). Eine weitere ebenso wichtige Sache: Falls das Gerichtsverfahren bereits stattfindet und zu unseren Gunsten ausgeht, kann ich dann die Urteilsvollstreckung gegen den Vertragspartner in dem Land erzwingen, in dem er seinen Sitz oder mindestens irgendein Vermögen hat? Dies wird durch die Bestimmungen bezüglich der Wahl des Rechtes sowie der Wahl des Gerichts- oder Schiedsgerichtsstandes geregelt. Es ist essentiell, diese Fragen zu durchdenken und im Voraus vertraglich zu regeln.

Erlöschen einer Vertragsverpflichtung im Falle eines außergewöhnlichen Ereignisses

Soweit der Vertrag dem tschechischen Recht unterliegt, kann das Eintreten eines außergewöhnlichen Ereignisses, welches die Erfüllung der Vertragspflichten verhindert, mehrere Dinge bedeuten. Ein außergewöhnliches Ereignis wie Krieg, Epidemie oder Naturkatastrophe führt normalerweise nicht automatisch zum Erlöschen des Vertrags aufgrund unmöglicher Erfüllung. Es müsste sich nämlich um ein dauerhaftes Hindernis handeln (die Erfüllung des Vertrags ist künftig gar nicht möglich). Die Vertragserfüllung ist nach tschechischem Recht nicht unmöglich, wenn zwar nicht der Vertragspartner den Vertrag erfüllen kann, die Leistung aber von jemandem anderen erbracht werden kann, den der Vertragspartner hinzuzieht (der Vertragspartner bestimmt für sich einen Ersatz). Die Gründe zum Erlöschen eines Vertrags wegen unmöglicher Erfüllung umfassen auch keine erhöhten Kosten oder Leistungsschwierigkeit aufgrund des außergewöhnlichen Ereignisses. Ein Gesetz, welches die Vertragserfüllung verbieten würde (sog. rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung), würde zum Erlöschen des Vertrags führen, wohingegen einstweilige legislative oder verwaltungsrechtliche Maßnahmen (bspw. das derzeitige Ausfuhrverbot von Atemschutzmasken) keine solche Wirkung haben.

Kann eine Vertragsverpflichtung wegen eines außergewöhnlichen Ereignisses nicht erfüllt werden, gerät die den Vertrag nicht erfüllende Partei in Verzug. Der Verzug tritt unabhängig davon ein, ob der Vertragspartner das außergewöhnliche Ereignis verursacht hat, sich an dessen Eintritt beteiligt hat oder den Eintritt des außergewöhnlichen Ereignisses hätte vorhersehen können, u. ä. Die bedeutendste Folge des Verzugs in einem solchen Fall ist das Recht der anderen Vertragspartei, vom Vertrag zurückzutreten (unter den gesetzlich festgelegten Bedingungen). Das bedeutet die Beendigung des Vertrags bzw. auch der Pflicht der Parteien, die erbrachte Leistung zurückzugeben. Die Verträge regeln die verschiedenen Gründe der Vertragsbeendigung oft umfassend und schließen eine gesetzliche Rücktrittsregelung aus. Dann ist es sehr wichtig nicht zu vergessen, auch das Verfahren für die Beendigung des Vertrags bei Eintritt eines außergewöhnlichen Ereignisses, welches die Vertragserfüllung durch die Vertragspartei vorübergehend verhindert, klar zu regeln (nach welcher Zeit man zurücktreten oder den Vertrag anderweitig beendigen kann, bzw. ob – und wie – die Rückgabe der erbrachten Leistung erfolgt).

Höhere Gewalt

Die am häufigsten erwähnte Folge außergewöhnlicher Ereignisse (in diesem Kontext gemeinhin als Höhere Gewalt, Force-Majeure-Ereignis oder auch Act of God bezeichnet) ist der Ausschluss der Haftung der Vertragspartei für Schäden, die aufgrund von Nichterfüllung (oder Leistungsverzug) entstanden sind. Das tschechische Bürgerliche Gesetzbuch regelt diese Folge in § 2913 Abs. 2: Derjenige, der einen Schaden verursacht hat, wird von seiner Pflicht zum Ersatz entbunden, wenn ihn ein außergewöhnliches unüberwindbares und unvorhersehbares Hindernis, das unabhängig von seinem Willen entstanden ist (und zwar nicht zu der Zeit, als er mit der Erfüllung bereits in Verzug war), an der Erfüllung hindert.

Die Coronavirus-Infektion stellt derzeit beispielsweise ein solches Hindernis dar. Ob diese Kategorie auch die regelmäßig wiederkehrende Grippeepidemie, von der die meisten Arbeitnehmer einer Produktionsstätte betroffen werden, einschließen würde, ist unklar. Dies wird eher nicht der Fall sein – eine Epidemie ist vorhersehbar und man kann sich davor durch Impfung schützen. Ein Hindernis, das sich aus den persönlichen Umständen der nicht erfüllenden Partei ergibt (einschließlich der Tatsache, dass mein Subunternehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt), entbindet nicht von der Verpflichtung, Schadensersatz zu leisten. Das Bürgerliche Gesetzbuch regelte früher ganz klar, unter welchen Bedingungen das außergewöhnliche Ereignis beim Subunternehmer (z.B. beim Lieferanten einer Komponente) die Haftung des Hauptlieferanten (d.h. desjenigen, wer komplettes Erzeugnis verkauft) ausschließt. Eine solche explizite Regelung fehlt nun in dem Gesetz.

Wer sich auf ein außergewöhnliches Hindernisse gemäß § 2913 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beruft, muss natürlich deren Existenz, außergewöhnlichen Charakter, Unüberwindbarkeit und andere gesetzliche Voraussetzungen nachweisen; es genügt nicht, die Existenz eines Hindernisses lediglich zu behaupten. Dies gilt im Recht allgemein. Daher stellt die chinesische Regierung derzeit offizielle Bestätigungen für ihre Unternehmen aus, dass an deren Geschäftssitz Infektion besteht.

Das tschechische Bürgerliche Gesetzbuch (wie auch Gerichtsentscheidungen) lässt (lassen) zu, diese Fragen vertraglich zu regeln (zu definieren, was als Ereignis nach § 2913 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt und was nicht, bzw. wie lange ein Ereignis dauern muss, was vorhersehbar ist und was nicht) und das konkrete Ausmaß des zu zahlenden Schadens zu vereinbaren, usw. Vergessen Sie nicht, dies zu tun.

Vertragsstrafe und weitere Fragen

Falls die Vertragsparteien für den Fall der Nichterfüllung eine Vertragsstrafe vereinbaren, hat der Eintritt eines außergewöhnlichen Ereignisses keinen Einfluss auf die Pflicht, diese zu zahlen (eine Entbindung von der Pflicht, die Vertragsstrafe zu zahlen, findet nicht statt). Auch das sollte man eventuell in einem Vertrag im Voraus beachten.

Tritt ein außergewöhnliches Ereignis ein, gilt für denjenigen, der nicht fähig ist, den Vertrag zu erfüllen, die Pflicht, den Eintritt des außergewöhnlichen Ereignisses und die Unfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen der anderen Partei unverzüglich mitzuteilen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Schadensabwendung oder -minderung zu treffen.

Die einfachste Antwort auf die Frage „Wer bezahlt das?“ heißt in der Praxis, eine Versicherung abzuschließen und bei Eintritt eines außerordentlichen Ereignisses von der Versicherung die Leistung zu fordern (sog. Geschäftsrisikoversicherung). Außergewöhnliche Ereignisse wie Krieg, Terrorismus und Naturkatastrophen größeren Ausmaßes werden häufig den sogenannten Versicherungsausschluss darstellen (Ereignis, gegen das keine Versicherung möglich ist). Mit dem häufigeren Auftreten verschiedener außerordentlicher Ereignisse wird eine solche Versicherung zwangsläufig auch teurer und weniger erschwinglich sein.

Quelle:
Gesetz Nr. 89/2012 Slg., Bürgerliches Gesetzbuch, in der geltenden Fassung

 

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