Österreichische Emigranten und deren Nachkommen können die österreichische Staatsbürgerschaft einfach erwerben, bei der deutschen gibt es Fortschritte, aber es bleibt immer kompliziert

Sei es, dass sie den Folgen des Brexits entgehen, wegen Trump aus den USA emigrieren oder in der EU arbeiten wollen, österreichische oder deutsche Emigranten und deren Nachkommen, die im Ausland leben, können jetzt den österreichischen oder deutschen Pass erlangen, d.h. damit die Unionsbürgerschaft.

Die Flüchtlingskrise auf den griechischen Inseln ist in aller Munde – aber leider ist der Unwille von vielen europäischen Staaten, insbesondere der Länder der Visegrád-Gruppe (V4) sowie Österreichs, weiterhin sehr groß, sich irgendwie an deren Lösung zu beteiligen. Davon unbemerkt kam es im September 2020 zu einer Liberalisierung des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts zugunsten von Emigranten des 20. Jahrhunderts. Auch in Deutschland kam es ab Mai 2020 zu einer Änderung der jahrzehntelangen Praxis, aber nicht auf der Grundlage einer Gesetzesänderung, sondern eines Urteils des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Im Ergebnis kann dies auch vielen helfen, die vom Brexit betroffen sind oder die bald aus den USA wegen der drohenden Wiederwahl von Donald Trump emigrieren wollen (zur Situation in der Tschechischen Republik cf. diesen Artikel).

Österreich

Österreich hatte schon im September 2019 entschieden, dass Emigranten und deren Nachkommen einen Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Diese Änderung des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz von 1985 ist Anfang September 2020 in Kraft getreten. Der Zeitrahmen, auf die sich die Novelle bezieht, ist sehr großzügig: er umfasst Emigranten, die bis zum 15. Mai 1955 (Unterzeichnung des Staatsvertrages) Österreich wegen rassischer oder politischer Verfolgung oder aus demokratischer Gesinnung verlassen mussten. Austrofaschisten und österreichische Nazis, die das Land zwischen 1934 und 1938 oder nach 1945 verlassen haben, betrifft das Gesetz also nicht, aber alle Juden und Demokraten, die Österreich bis 1955 verlassen mussten. Nicht einfach werden die Fälle von Emigranten, die Österreich schon vor dem Anschluss im März 1938 verlassen haben, zu entscheiden sein. Aber auch in solchen Fällen ist es einen Versuch, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Deutschland

Zuletzt kennt auch das deutsche Recht eine Möglichkeit, die deutsche Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen. Zeitlich ist das aber auf deren Verlust vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945, d.h. die Zeit der Nazidiktatur, begrenzt (cf. dazu unseren Artikel: „Praxis der Restitution der deutschen Staatsbürgerschaft gemäß Art. 116 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz seit Jahrzehnten verfassungswidrig“). Dieser Anspruch gilt auch für alle Nachkommen, Anträge von Mitgliedern der sog. „Erlebnisgeneration“ sind nur noch sehr selten, es gibt sie aber noch, und diese Anträge werden vorgezogen, ansonsten dauert die Beantragung bis zu 2 (zwei) Jahren. Leider war die deutsche Praxis bis 2019 äußerst restriktiv. Abhilfe schufen die Dekrete des Bundesinnenministeriums von Ende August 2019, auf deren Grundlage Mitglieder einiger Fallgruppen aufgrund von § 14 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) eingebürgert werden können (cf. unseren ersten Artikel zu diesem Thema: „Einbürgerung für Nachkommen von NS-Verfolgten gemäß Art. 116 Abs. 2 GG – Neue Erlasse des Bundesministeriums des Inneren (BMI) zur Wiedergutmachung.“). Wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Mai 2020 (cf. dazu unseren zweiten Artikel: „Praxis der Restitution der deutschen Staatsbürgerschaft gemäß Art. 116 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz seit Jahrzehnten verfassungswidrig“) werden jetzt von zuständigen Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln auch alte, schon bestandskräftige Fälle, die diesem Urteil widersprechen, auf Antrag neu beschieden. Das BVA entscheidet neue Anträge schon gemäß dem Urteil vom Mai 2020.

Neue Perspektiven für Interessenten aus dem UK und der USA

Im Ergebnis macht es durchaus Sinn, dass z.B. UK- und US-Bürger, die aus politischen oder praktischen Gründen (Brexit, Trump, Arbeitsaufnahme in der EU) einen EU-Pass haben wollen, ihre Stammbäume durchgehen und alle alten Unterlagen zusammenkramen (hauptsächlich Geburts- und Heiratsurkunden, Originale mit Apostille und beglaubigter Übersetzung; Österreich und Deutschland akzeptieren auch englischsprachige Dokumente). Denn es ist klar: ein EU-Pass, sei es ein tschechischer, österreichischer oder deutscher, gibt viel mehr Rechte und Sicherheit als eine Aufenthaltsgenehmigung in der EU.

Quelle:
Bundesgesetz, mit dem das (österreichische) Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (österreichisches) Staatsbürgerschaftsgesetz 1985
Art. 116 Abs. 2 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (1949) (deutsches) Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG 2000), ursprünglich RuStAG 1913
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Mai 2020 (AZ: 2 BvR 2628/18)

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